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„In der Fotografie ist es am schwersten, den Alltag gut darzustellen.“
sagte einmal ein Berufskollege zu mir. Diese Aussage prägte
sich mir ein, ja, ich nahm sie sogar als Herausforderung an und
fotografierte mein tägliches Umfeld, mein Leben in der DDR.
Lebensmittelpunkt war für mich der Norden der DDR und meine
kreative Heimat war ein jugendlicher Fotoklub, dessen künstlerischer
und organisatorischer Leiter ich war. Die kulturelle Kreativität
der „Arbeiterklasse“ wurde gefördert, solange eine
Scheinwelt aufrecht erhalten blieb. Doch viele Fotografien in ihrer
dokumentarischen Genauigkeit zeigten auch das, was die Bevölkerung
eigentlich nicht wahrnehmen sollte: den Zustand der Städte,
der Umwelt, den Kontrast zwischen Schein und Sein. Die Arbeit mit
realistischen Fotografien war eine gefährliche Gratwanderung.
Zum Ende der Geschichte stellte sich heraus, dass sogar der Berufskollege
zu denjenigen gehörte, die eifrig Meldung erstatteten.
Ich fotografierte alles, was meine Aufmerksamkeit fesselte und
war besonders schockiert, als ich 1987 aus Neugier eine DDR-Rundreise
unternahm. Bei der Gestaltung dieser Ausstellung habe ich berücksichtigt,
dass wir in der DDR auch gelacht, geliebt, gefeiert und Kinder gezeugt
haben. Zunehmend sind wir aufrechter durchs Leben gegangen. Es gab
Menschen, die haben gemerkt, wie es um ihren Staat bestellt ist
und Veränderungen eingeleitet, und es gab andere Menschen,
die habe ich mit meinen Darstellungen aus einem schönen Traum
gerissen, den sie eigentlich gern weitergeträumt hätten.
Erst seit dem Herbst 1989 kann ich gefahrlos und unzensiert meine
Meinung äußern. Und heute fragt mich oft die nächste
Generation: „Wie sah eigentlich der Alltag in der DDR aus?
Ich war damals noch so klein...“
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